AM111 – Brief an Walter Gropius
Wien, Dienstag, 19. September 1911


Nacht 19

Was ist das? Du erschreckst mich so! – Was ist das? Willst Du mich in der Welt allein lassen! — —

Ich habe Dir also doch weh gethan. – Oder liebst Du mich nicht mehr? —

Ich verstehe jetzt nicht. Ich werde nicht nach Berlin gehen am 25ten — ich habe alle Lust verloren[.] –

Weshalb schämst Du Dich. Wenn ein Mensch auf der Welt rein ist und keinen Grund hat[,]

sich zu schämen – bist Du’s!! – Deine Fehler geschahen nur aus Reinheit – und rein ist alles bei Dir. Warten wir – mein Herz – bis unser Wollen gleichstimmig wieder wird – wie es doch so herrlich war! — Mein bleib mir – verschwende Dich nicht in einem Anfall von Ungeduld — Du bist jung – das Leben liegt vor Dir – und die Quantität macht’s nicht. Liebe mich — vergiss mich nicht. Denke über irgend etwas \nach/ – auf, dass wir uns sehen können.


Apparat

Überlieferung

, .

Quellenbeschreibung

1 Bl. (2 b. S.) – Briefpapier.

Beilagen

Umschlag, , Berlin-Wilmersdorf | Nicolsburgerplatz 4. G. IV | Herrn Walter Gropius; PSt. (wahrscheinlich lt. , S. 1010, j 6k11): 1/1 WIEN [9] | 22.IX.11 – 5 | * [a] *; von WG mit einer 3b versehen (Zur Nummerierung von Alma Mahlers Briefumschlägen); fremdschr. Datierungsversuch nach Übergabe an : „22.10.1911“.

Druck

Erstveröffentlichung.

Korrespondenzstellen

Antwort auf WG203 vom 18. September 1911 (von dir steigt eine heiße Scham in mir auf […]. Ich muß \will/ eine Weile fortgehen und mich erproben): Was ist das? Willst Du mich in der Welt allein lassen! […] Weshalb schämst Du Dich. Beantwortet durch oWG204 vom 23. September 1911 (Denn Liebe zu Dir umfaßt meine ganze Existenz […]. Zu welchem Ende – das mögest Du entscheiden. Durch Dich wächst immer das Streben nach größerer Reinheit und Klarheit): Deine Fehler geschahen nur aus Reinheit – und rein ist alles bei Dir. Warten wir – […] bis unser Wollen gleichstimmig wieder wird und WG205 vom 24. oder 25. September 1911 (Was schreibst Du […], ob ich mich \auch nicht/ verschwende): verschwende Dich nicht in einem Anfall von Ungeduld.

Datierung

Absendedatum: „22.10.1911“ (fremdschr. Datierungsversuch nach Übergabe an , ).

Datiert durch AM und Poststempel: 19[.] September 1911.

Übertragung/Mitarbeit


(Renita Steinwand)
(Elisabeth Behnle)


A

Berlin – s. AM103 vom 28. August 1911: Fried’sche Aufführung.

B

Vierfach unterstrichen.

C

Ursprünglich: wir.